Seit den ersten Höhlenmalereien umtreibt die Menschheit eine Frage: was ist Kunst? Und was macht Kunst zur Kunst? Der Computer Caedmon wirft nun eine weitere Frage auf: braucht es überhaupt noch Menschen, um Kunstwerke zu schaffen?

„Hallo! Ich bin Caedmon. Ich bin ein Computer, der lernt, Kunst zu erschaffen.“ So stellt er sich selbst vor, dieser Künstler, der gänzlich ohne menschliche Kreativität auskommt. „Ich lerne, was Kunst ist durch die Analyse, was Menschen für Kunst halten“, fährt er mit seiner Selbstdarstellung fort.

Sein Name geht zurück auf den englischen Dichter Cædmon des späten siebten Jahrhunderts. Der Sage nach habe er von Gott die Fähigkeit erhalten, aus dem Stehgreif heraus Gedichte zu kreieren. Jetzt im 21. Jahrhundert kreiert Caedmon also als künstliche Intelligenz Kunstwerke.

Der Vater von Caedmon ist der italienische Programmierer und Computerkünstler Maurizio Fusillo. Während er sich mit acht Jahren noch nach ersten Kritzeleien mit Photoshop und Corel sehnte, hat er nun eine Maschine an den Start geschickt, die konstant lernt, was Menschen als Kunst betrachten und was eben nicht.

« Hoffentlich habe ich bis dahin eine Idee. »

Maurizio Fusillo, Schöpfer des Kunst-Computers Caedmon zur Frage, was aus Caedmon wird, wenn er das 'ultimative' Kunstwerk geschaffen hat

Aber so ganz von Null kann auch Caedmon nicht Kunst schaffen. Seine Speicher mussten zunächst mit 10.000 digitalisierten Kunstwerken angefüttert werden. Diese Basis bildet den sogenannten „Training Dataset“. Aus diesem werden dann wiederum zunächst beliebige Kunstwerke in die vom Caedmon-Vater Fusillo liebevoll „DNA“ genannten extrapolierten Daten aufgebrochen. Diese „Kunst-DNA“ wird zunächst mit fünf anderen Werken kombiniert. Diese fünf anderen können entweder auch Ursprungsdaten aus dem „Training Dataset“ sein oder bereits von Caedmon geschaffene Werke.

Jetzt kommt der Lernprozess zum Tragen. Die Betrachter, die mittels Homepage von Caedmon oder in den sozialen Netzwerken abstimmen können, entscheiden über den Erfolg dieser visualisierten und beliebig neu zusammengesetzten „Kunst-DNA-Fragmente“. Gefällt den Beobachtern ein Werk bleibt die DNA im Rennen, erhalten die Werke keine Likes, stirbt der entsprechende DNA-Strang aus. Caedmon überführt also die Darwin’sche Evolutionstheorie in die Kunst. Nur der Stärkste überlebt.

Grundgedanke ist also, dass Caedmon Schlussfolgerungen daraus zieht, was Menschen in der Kunst gefällt. Caedmons Ziel ist also, das definitive Kunstwerk zu entwickeln. Dies könnte laut Maurizio Fusillo in wenigen Jahren der Fall sein. Bereits jetzt fördert Caedmons Arbeitsweise einige erstaunliche Werke hervor.

Was aber, wenn das ultimative artifizielle Kunstwerk gefunden ist? Caedmon-Schöpfer Fusillo sieht es mit Humor: „Hoffentlich habe ich bis dahin eine Idee.“ Vorauszuahnen ist jedoch, dass weiterentwickelte künstliche Intelligenzen folgen werden. Caedmon kann also tatsächlich Kunstwerke völlig autark erschaffen, kommt aber ohne die erste Anleitung und Programmierung des Menschen nicht aus. Das macht – zumindest im Jahr 2018 – den Menschen hinsichtlich des künstlerischen Schöpfungsprozesses noch nicht obsolet.


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