Audiotext zum Nach- und Mitlesen:

Morgen soll es also soweit sein: das europäisch-kanadische Freihandelsabkommen CETA wird unterzeichnet. Nach dem politischen Auflehnen der Wallonen wurde das Vertragswerk nun nach tagelangem Ringen nachgebessert.
Bis zuletzt fühlte man sich an die Geschichte von Asterix erinnert. Eine kleine europäische Region wagt es, den Großen Widerstand zu leisten. Eine Region, die viele Europäer bis zu diesem Zeitpunkt gar nicht auf der Landkarte hätten deuten können. Ausgerechnet diese kleine Region im Königreich Belgien weiß sich gegen den europäischen Apparat und seine Freihandelspläne zu Wehr zu setzen.
Schnell wird den Wallonen „Größenwahn“ unterstellt, Blockierung der Verhandlungen, gar Erpressung der gesamten europäischen Union. Von einer „Geiselhaft der EU“ war in den Medien die Rede, eine „beschämende Blamage für den Kontinent“ textete so mancher Journalist. Und tatsächlich handelt es sich hier um eine „beschämende Blamage“.
Die resultiert aber nicht im Veto der Wallonen im Falle CETA. Diese Blamage begründet sich ganz alleine in der öffentlichen Darstellung dieser Veto-Situation – auf politischer und journalistischer Basis. Dieses entstandene Veto zeigt, dass die Vertrauenskrise der politischen Institution EU weder von der Politik noch von den Medien richtig verstanden und eingeordnet wurde.
Denn ein „Non“ gegen CETA war schon lange von den belgischen Regionalparlamenten zu erwarten. Die Politiker dort waren es, die sich intensiv mit dem Vertragswerk auseinandergesetzt haben. Sie haben ihr nationales Recht schlichtweg genutzt, um mit demokratischen Mitteln ihre Bedenken und Forderungen in den Findungsprozess einzubringen. Ein Recht, was viele Länder in dieser Form nicht wahrgenommen haben.
Das darf man technokratische Betriebsblindheit in der Europäischen Union nennen. Der Plan, CETA an nationalen Parlamenten vorbeizuwinken, genau das ist es, was letztendlich Bürgerproteste und das Aufbegehren gegen das Vertragswerk provoziert hatten. Die Ängste der Menschen vor Globalisierung und ihren Folgen löst man nicht durch Verhandlungen hinter verschlossenen Türen. Schon gar nicht durch eine polarisierende und reißerische Berichterstattung in der Öffentlichkeit. Sondern ausschließlich durch Dialog und einem Verhandlungsprozess der zum einen politisch-transparent und demokratisch gestaltet wird, zum anderen objektiv in die Öffentlichkeit transportiert wird. Beide diese Prinzipien wurden sowohl bei TTIP als auch bei CETA mit Füßen getreten – und das par excellence.
Europa muss sich damit abfinden, dass Globalisierung stattfindet. Europa muss sich aber nicht damit abfinden, dass die größten Errungenschaften unseres Kontinents zunehmend unter den Tisch fallen: Demokratie und die damit eingehende objektiv-journalistische Berichterstattung.