Audiotext zum Nach- und Mitlesen:

Universitätsabsolventen sind gefragt. Nach einer Umfrage des Personalunternehmens CareerBuilder wollen satte 99% der Personaler von Deutschen Unternehmen freie Stellen mit Hochschulabsolventen besetzen.

Merkwürdig, denn in den letzten Wochen häuften sich die Berichte, dass gerade die deutschen Unternehmen so gar nicht mit den Fertig-Studierten zufrieden seien. Auch die eben genannte Umfrage von CareerBuilder stützt diese Theorie. Denn 87 Prozent der Personalverantwortlichen halten die Studien-abgänger für nicht-ausreichend oder mangelhaft vorbereitet auf die zukünftige Tätigkeit. In einer anderen Umfrage des Deutschen Industrie- und Handelskammertages gaben vor kurzem nur 47 Prozent, also weniger als die Hälfte der befragten Unternehmen an, dass Berufseinsteiger mit Bachelorabschluss ihre Erwartungen erfüllen.

Da fühlt man sich an Goethes Zauberlehrling erinnert, ganz getreu dem Motto:

„Die ich rief, die Geister, Werd’ ich nun nicht los.“

Waren doch gerade die Unternehmen diejenigen, die den Bachelorabschluss im Rahmen der Bologna-Reform feierten. Ein schneller Abschluss, der zeitig ins Berufsleben führt, die Lebensarbeitszeit streckt und somit durch die Hintertür auch noch die Lohnnebenkosten drückt. Hat sich die Industrie damals nicht die Hände gerieben?

Um die Konfusion noch etwas zu intensivieren. Das Institut der Deutschen Wirtschaft wartet mit einer Studie auf, dass die Karriereaussichten von Bachelorabsolventen bestens seien… schließlich verdienten ja über 70 Prozent der Bacheelor-Absolventen nach drei-fünf Berufsjahren schon über 40.000 Euro per anno. Ja, was denn nun? Die CDU-Politikerin Johanna Wanka springt in die Bresche:

„Die Studie zeigt: Bachelorabsolventen haben in Unternehmen immer bessere Chancen“, so Wanka.

Wie passen nun aber diese Ergebnisse zusammen? Um es klarzustellen. Die DIHK-Umfrage stellte die Zufriedenheit der Arbeitgeber mit den Arbeitnehmern in den Mittelpunkt. Die Umfrage des IW arbeitete heraus, wo die jungen Bachelor in den Firmen eingesetzt werden. Also Zwischenfazit: Zum einen stellen also immer mehr Unternehmen Bachelor ein und bezahlen sie auch ganz gut, andererseits aber sind sie immer unzufriedener mit ihnen.

Nun meiner Ansicht nach liegt diese aktuelle Unzufriedenheit daran, dass viele Bachelorabsolventen erst jetzt auf den Arbeitsmarkt drängen. Denn mit einem Bachelorabschluss konnte man sich gegen die Vorgängerabschlüsse, also dem Diplom bzw. den Ingenieuren, vor einigen Jahren mit Verlaub gar nicht messen. Ergo erleben wir die Trendwende und die Offenlegung der wahren Schwächen des Systems heute.

Aber es ist in diesem Kontext wie mit den jungen Bachelor-Absolventen: es bleibt der Blick auf die Theorie, aber der Blick auf die Praxis, die fällt dann vielen schwer.

Erlauben Sie mir persönlich zu werden. Ich bin 33 Jahre alt und stehe seit 12 Jahren im Berufsleben. Ich habe eine kaufmännische Ausbildung abgeschlossen, etliche Zertifizierungen und Fernstudien absolviert, war fachlich immer auf der Höhe der Zeit und engagiert bei der Sache… und doch erreichte ich in den meisten Unternehmen nichts… im Gegenteil: ich musste mir immer wieder von jüngeren, frisch ausstudierten, praxisfremden Menschen sagen lassen, was ich zu tun und zu lassen habe. Das hat dazu geführt, dass ich heute… sie ahnen es schon, an meinem Bachelor arbeite.

Und da liegt die eigentliche Schwäche des Systems. Unternehmen verwechseln gute Ausbildung mit Studium. Dabei leben wir doch mit einem Personalmarkt, der uns beides bietet – und das ist Luxus in Europa, denn das gibt’s nicht in vielen Ländern… wir Deutsche haben fachlich-versierte Akademiker UND hochqualifizierte, ausgebildete Fachkräfte. Unternehmen müssen weg von der Ideologie, dass alle Vakanzen für Berufseinsteiger und kleinere leitende Positionen, wie Team- oder Projektleiter, einen akademischen Abschluss erfordern. Wie häufig liest man heute für, sagen wir, Projektassistenzstellen eine Minimumqualifikation eines Hochschulstudiums. Dass sich die gleichen Unternehmen, die so ausschreiben, dann wundern, warum ein Bachelorabsolvent in der Praxis keine Rechnung schreiben, keine Korrespondenz in branchenüblichem Format führen kann und in der Praxis sehr oft und intensiv nachgeschult werden muss, ist mir ein Rätsel.

„Die ich rief, die Geister, werd’ ich nun nicht los.“