War ich tags zuvor noch äußerst euphorisch, nachdem ich das ein oder andere Luminale-Überbleibsel entdeckt hatte, erkenne ich heute: das letzte Aufbäumen hat die Künstler*innen viel Kraft gekostet. Die Trauerphase der Leugnung weicht der Akzeptanz. Der Abschied naht.

Ich kann es vorwegnehmen. Hatte ich gestern noch einige lebhafte Gespräche und Konversationen, wird das ein einsamer Abend werden. In der Selbstreflektion hinterher werde ich mich fragen, warum das so war. Und ich werde zu dem Schluss kommen, dass die wenigen Künstler*innen, die überhaupt noch an den verbliebenen Werken vor Ort sind, eher mit sich selbst beschäftigt sind. Die Schockstarre löst sich, der Abschied naht.

Meine heutige Tour beginnt am Kunstwerk mit der Nummer F022. „Glücklicht“ heißt es und sollte eigentlich eine Corporate-Social-Responsibility-Aktion der ING sein, die sich Jahr für Jahr als Sponsor im Luminale-Heft wiederfindet. Ziel war ursprünglich, dem UNICEF-Projekt „Power for Youth“ Spenden zukommen zu lassen. Daraus wurde mit der Luminale-Absage nichts. Vor Ort lässt ein abgeschlossenes Häuschen erahnen, wie die Aktion hätte ablaufen können. Das Kunstwerk selbst pulsiert nichtsdestoweniger vor sich hin, als wolle es zeigen, dass der Lichtkunst-Puls der Stadt noch nicht in Gänze erloschen sei. Immerhin: es gab also etwas zu sehen.

GLÜCKLICHT heißt dieses Werk, das ursprünglich Spenden für UNICEF einsammeln sollte.

Meine initiale Glückssträhne sollte anhalten. In der nahegelegenen Savignystraße steht das Ignatz-Bubis-Gemeinzentrum der jüdischen Gemeinde Frankfurts. Und auch dort kann ich ein aktives Kunstwerk beobachten. Künstler Lukas Sünder weist mit seinem „Shedim-Ballett“ auf die jüdischen Märchen, aber auch die Zugehörigkeit des Gebäudes zur Identität Frankfurts hin. Die Installation wirkt raumfüllend, schaurig und faszinierend zugleich. Die Projektionen wirken mal gestochen scharf, mal weich und durchlässig, mal mystisch-gefährlich, mal verspielt und ironisch.

Düstere Kreaturen sind mit der Projektion „Shedim-Ballett“ zu sehen.

Es sind nur ein paar Schritte in südlicher Richtung, bis die St. Antonius Kirche auf der gegenüberliegenden Straßenseite auftaucht. Sie beherbergt die Schau „Turned Off“, eine Zusammenstellung der Meisterklasse von Prof. Michael Riedel. Das Besondere liegt darin, dass die Werke allesamt an Orten präsentiert werden, wo der „Otto-Normal-Kirchenbesucher“ keinen Fuß hinsetzen würde. Im Turmzimmer, auf der Orgel-Empore, in der Sakristei. Ohne viel drumherum zu reden: dieser Ort erschließt sich mir nicht. Weder der Kontext im Programm der Luminale, noch der Kontext zum Motto „Digital Romance“. Vielleicht schreibe ich das auch deshalb, weil die weiteren Erinnerungen an diesen Ausstellungsort nicht positiv nachhallen. Nach Betreten der Kirche, knipste mir man vor meinen Augen die einzig vielleicht noch einigermaßen thematisch sinnige Videoinstallation „Think Think Push“ aus, im Treppenaufgang wurde ich gebeten, doch keine Fotos von den Werken „auf diese Website hochzuladen“. Was auch immer „diese Website“ sein mag.

Die Meisterklasse von Prof. Michael Riedel (Leipzig) stellte unter dem Titel „Turned Off“ aus

"Wo aber Gefahr ist, wächst das Rettende auch."

Friedrich Hölderlin, Patmos

Ein ähnliches Erlebnis widerfährt mir in der KunstKulturKirche Allerheiligen an der Thüringer Straße. Das dortige Werk COSTAE ist unter einem Gesundheitshinweis zu besuchen, steht aber im Mittelpunkt des Einflusses eines Filmteams, das zwischenzeitlich das Licht der Kirche anschalten lässt und den übrigen Besuchern, das eigentlich als „immersives Erlebnis“ gepriesene Kunstwerk verhagelt. Man merkt auch hier deutlich, dass die Zeichen unter der Enttäuschung der Luminale-Absage sehr deutlich auf Aufbruch stehen. Die letzten Belegaufnahmen wollen geschossen werden und werden so wahrscheinlich als einziges Relikt dieser Luminale übrigbleiben. Kann man das den Künstler*innen übel nehmen? Nein. Denn was sonst außer die Dokumentierung von dem, was sie geschaffen haben, wird Ihnen bleiben?

Umgebungslicht an, Stimmung weg: COSTAE

Zugegeben: ich hätte mit großer Leidenschaft noch gerne mehr von den Werken gesehen und auch dokumentiert. Aber auch bei mir weicht die Leugnung der Luminale-Absage so langsam der Akzeptanz. Mit dem Auto fahre ich noch einige Locations ab, bei denen ich mir vielleicht eine offene Türe verspreche. Aber ich werde in jedem einzigen Fall enttäuscht. Wenn überhaupt erhasche ich einen Blick durch ein Schaufenster, bei den meisten Orten zeugt schon ein „Abgesagt“-Schild davon, dass hier jegliche Nachfrage überflüssig ist. Wie treffend, dass ich dann doch noch einen Leuchtkasten antreffe. Die BBK-Galerie hat ihn prominent ausgestellt. Ob er Teil der Luminale oder des eigentlichen Galerieprogramms ist, werde ich nicht lernen, aber das Zitat, hätte dann doch treffender nicht sein können:

Nicht nur „Patmos“, sondern auch Luminale-Pathos. Die beleuchtete Strophe von Friedrich Hölderlin.

Ich bleibe ratlos und suche für Sie weiterhin die Be- oder Erleuchtung. Nur nicht mehr zu dieser Luminale.

Ihr
Daniel R. Schmidt


Offizielle Pressemitteilung zur Luminale-Absage