Audiotext zum Nach- und Mitlesen:
Dieses Wochenende findet in meiner Heimatstadt Frankfurt der Christopher Street Day statt. Pünktlich dazu ist die hiesige Stadtverwaltung auf den Gender-Mainstream-Zug aufgesprungen und hat nach Wiener und Münchener Vorbild lesbische und schwule Ampelmännchen im Stadtgebiet installiert.
Überhaupt gehört es anscheinend zum guten Ton der Städtepolitik, Regenbogenfahnen an Rathäusern zu hissen, gleichgeschlechtliche Ampelpartner zu installieren, sich in bunten Facebook-Profilfotos zu übertreffen und sogar Zebrastreifen in Regenbogenmanier einzufärben.
Dieses Motiv, also die Regenbogenfahne, dient in vielen Kulturen als Zeichen der Toleranz, der Akzeptanz und der Vielfältigkeit. Seit den 70er Jahren auch als politisches Symbol der Lesben- und Schwulenbewegung. Und – so scheint mir in den letzten Monaten – als beliebtes PR-Medium, als ein Instrument, das zum guten Ton einer politischen Öffentlichkeitsarbeit gehört. Dementsprechend inflationär ist es derzeit anzutreffen.
Bitte nicht falsch verstehen, ich will die Regenbogenfahne nicht zum Untergrundsymbol degradieren und auf die Christopher Street Days dieser Welt verbannen. Natürlich ist es ein Symbol, das sich mit meinen eigenen Wertvorstellungen und übrigens meiner eigenen Sexualität deckt. Und natürlich ist die Philosophie hinter dem Regenbogen in meinen Augen zeit-, gesellschafts- und menschengemäß.
Es ist nämlich völlig wichtig und richtig, dass sich unsere Gesellschaft mit dem Thema der Gleichberechtigung, der Emanzipation, der Öffnung unserer Gesellschaft für die „Ehe für Alle“ und mit dem Thema Akzeptanz neuer Beziehungsformen auseinandersetzt, sich zeitgemäß überarbeitet und sich öffnet.
Es ist gut und wichtig für unsere Gesellschaft, dass viele Menschen, auch und gerade die, die heterosexuell leben, klar Stellung beziehen, sich klar zu einer Akzeptanz gleichgeschlechtlicher Liebe bekennen. Sich gegen Ausgrenzung und Diskriminierung, gegen Gewalt, Hass und Hetze stellen; stattdessen Offenheit und Toleranz leben. Vielen Menschen in unserem Land ist mittlerweile egal, wer wen liebt. Und wieso. Und warum.
Und genau das ist auch gut so. Denn genau dafür steht ja das Symbol der Regenbogenflagge. Dass jeder Mensch in unserem Land frei entscheiden kann, ob er heterosexuell, bisexuell, homosexuell oder asexuell leben möchte.
Diese Freiheit definiert sich in meinem Verständnis von Öffentlichkeit in Folgendem. Wenn ich auf die Straße gehe, wenn ich mich unter Leute begebe, wenn ich neue Menschen kennenlerne, dann möchte ich unabhängig von meiner sexuellen Orientierung zunächst einfach nur als Mensch wahrgenommen, akzeptiert und angenommen werden. Wenn es dann aber im höchstprivaten Bereich zu einer Bindung mit einem besonderen, gleichgeschlechtlichen Menschen kommen sollte, dann möchte ich so frei leben dürfen, wie auch die heterosexuellen Paare. Mit allen Rechten, aber natürlich auch Pflichten. Punkt.
Und genau deshalb, genau für dieses Ziel braucht es keine schwulen und keine lesbischen Ampelmännchen. Es braucht auch keine Politiker, die vor Fotoapparaten Regenbogenfahnen an Rathäuser hissen oder medienwirksam Fußgängerüberwege bunt anmalen, um das Thema omnipräsent werden zu lassen, denn das ist es schon.
Nein, es braucht etwas anderes. Es braucht Politiker, die reale Taten statt Symbolpolitik vollbringen. Die von ihrer lokalen Ebene aus an ihrer Parteibasis so viel Druck ausüben, dass die Bundespolitik endlich handelt! Endlich eine De-Jure- Gleichstellung beschließt, eine reale Akzeptanz von schwulen, von lesbischen und Patchworkbeziehungsformen und schlussendlich die Durchsetzung der „Ehe für Alle“.
Denn: wer Regenbogenfahnen und schwul-lesbische Ampelmännchen aufhängt, aber nicht politisch danach handelt, der verrät die Ideale, die hinter diesen Symbolen stecken. Der verrät zum Großteil auch den Willen seiner Wähler, glaubt man den aktuellen Meinungsbildern.
Und der provoziert und polarisiert. All‘ diejenigen, die sich ihre Meinung über die „Ehe für Alle“ schon gebildet haben – egal ob pro oder contra –, die aber genauso wie ich der Ansicht sind, dass freie Sexualität und Gleichberechtigung nicht heißt, sein sexuelles Bekenntnis überall in die Öffentlichkeit zu tragen, bzw. an jeder Kreuzung Ampeldarstellungen mit sich küssenden Liebespäarchen brauchen.
Insbesondere wenn es bei der derzeitigen bundespolitischen Konstellation ein pures Lippenbekenntnis bleibt. Und dieses Lippenbekenntnis ist rein platonisch und entbehrt jeden symbolischen, politischen Kuss für Lesben und Schwule.
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