Noch bis zum 06. Oktober 2019 läuft die diesjährige Bundesgartenschau in Heilbronn. Bei der geht es um weitaus mehr als nur um Blumen. Sie verbindet Natur und Urbanität und zeigt, wie sich beides zukünftig vereinbaren lassen könnte.

Wer das Areal der Bundesgartenschau 2019 betritt, mag überwältig von den vielen farbigen Punkten auf dem Geländeplan sein, die für einzelne Ausstellungsobjekte stehen und das ungegliedert scheinende Buga-Gelände überziehen. Ungegliedert deshalb, weil zum einen der Neckar-Altarm sowie der Karlssee die Ausstellungsfläche zerschneiden, zum anderen, weil sich die Bundesgartenschau mitten in die Stadt mit ihrem neuen Stadtquartier am Neckarbogen einfügt. Und doch wirkt – einmal losgelaufen – das Gelände in sich logisch, auch dank der sehr guten Wegweisung und der Gliederung in fünf Themenwelten.

Nach dem großen Torbogen am Haupteingang steht der Besucher vor Stauden und Gehölzen, um sich dann in den Stadtdschungel treiben zu lassen. Mitten in der Themenwelt „Die Forscherinsel“ wird die Frage beantwortet, wie sich eine mögliche Transformation von Stadtlandschaften hin zur Natureroberung gestaltet. Konkret wurde hierzu die geschlossene Kranenstraße mit Rohren versehen (sogenannte „Lines“), an denen sich Pflanzen dschungelartig entlang ranken. Gepaart mit dem alten Baumbestand bietet sich dem Betrachter ein chaotisches Natureinod, dem es gelingt, dem Betonschrecken der dortigen Unterführung den Zahn zu ziehen.

Entlang dieser Lines ranken sich Pflanzen und formen so den Stadtdschungel in der Themenwelt „Forscherinsel“.
Ein Straßenschild weist im Stadtdschungel auf das neue Stadtquartier am Neckarbogen hin.

Lässt man die „Forscherinsel“ östlich liegen, öffnet sich die urbane Kulisse des neuen Stadtquartiers am Neckarbogen und damit die Themenwelt „Die Stadt im Werden“. So ein wenig erinnert das neue Viertel an das renommierte Bauprojekt „Barcode“ in der norwegischen Hauptstadt Oslo. 23 neue, allesamt architektonisch unterschiedliche Wohn- und Geschäftsgebäude recken sich im Neckarbogen gen Himmel, darunter auch Deutschlands derzeit höchstes Holzhaus. Partiell sind in das Quartier schon Bewohner eingezogen, was dem Inspizieren des Areals einen voyeuristischen Beigeschmack verleiht. Nach der BUGA wird der Neckarbogen dann auf Wohnraum für 3.500 Menschen weiter wachsen.

Die Stadtentwicklung legt nicht nur wert auf eine Einbindung von Bebauung, Freiräumen und Natur, sondern auch auf eine inklusive Erschließung der Stadt. Apropos Inklusion: auch wenn es eigentlich zum Usus gehören sollte, barrierefreie Ausstellungsflächen zu schaffen, so überzeugt die Bundesgartenschau mit zahlreichen Maßnahmen, um eine weitestgehende Barrierefreiheit sicherzustellen. Ob ausschließlich ebenerdige WC-Anlagen, Servicethekenhöhen, die das Anfahren mit Rollstühlen erlauben, die Ausleihe von Mobilitätshilfen sowie Guides, die gebärden können. Auch wenn es nicht überall gelingt, wie beispielsweise an engen Beeten und einigen Ausstellungstafeln, so hat sich die Bundesgartenschau erkennbare Mühe gegeben, möglichst allen Besuchern die Teilnahme an der Buga zu erleichtern.

Wird Wohnraum für 3.500 Menschen bieten: das neue Stadtquartier am Neckarbogen.
Das besondere an der Bundesgartenschau ist, wie die Ausstellung in das bereits belebte Viertel integriert ist.
"Die Modellsiedlung 'Neckarbogen', die in die BUGA einbezogen ist, steht für eine nachhaltige Stadtentwicklung. So wird etwa das Leitbild 'Stadt der kurzen Wege', in der Wohnen, Arbeiten und Einkaufen in einem Viertel möglich ist, im 'Neckarbogen' beispielgebend umgesetzt."

Ministerpräsident Winfried Kretschmann im offiziellen BUGA-Katalog

Westlich der Neubauten befindet sich die Themenwelt „Inzwischenland“, die ihren Namen wohl deshalb erfahren hat, da es sich um den vergänglichen Teil der Bundesgartenschau handelt. Neben diversen thematisch sortierten Gartenkabinetten wird nach der Schau auch der Pappelwald mit seinen 1.700 Bäumen weichen müssen. Bedauerlich eigentlich, zumal der dort ansässige interkulturelle Garten nicht nur Gartenanlage sondern sogar Integrationsprojekt ist. Thematisch kommt der Besucher an dieser Themenwelt nicht vorbei: ob Bienensterben, genetische Pflanzenvielfalt oder Abfallmehrwerte. Die gezogenen Querverweise von der klassischen Gartenschau hin zu gesellschaftlichen Problemen im Umgang mit der Natur sollte man sich nicht entgehen lassen. Wenngleich an der ein oder anderen Stelle die dortigen Ausstellungstexte mehr an unternehmerische Öffentlichkeitsarbeit erinnern als an Informationstexte.

Be a Bee: mehrere Bienenvölker bewohnen das Gelände der Bundesgartenschau.
Die Bundesgartenschau bietet nicht nur unzähligen Blumen, sondern auch vielen Insekten ein Zuhause.

Am Karlssee entlang (Themenwelt „Die Sommerinsel“) führt der Besuchermarsch in Richtung Norden, an der Mündung von Karlssee in den Neckar-Altarm vorbei, zur Themenwelt „Die neuen Ufer“. Thematisch setzt sich diese mit der Transformation der Flusslandschaft im Rahmen der Veränderung von Industrie- zu einer Dienstleistungsstadt auseinander. Die Station „Zeitreise Neckar“ bildet als Mini-Museum innerhalb des Buga-Geländes diese städtische Fortentwicklung ab. Aber auch Gärtnereitrends sind in dieser Themenwelt zu finden, wie das „Black Box Gardening“, das auf sich selbst versamende Pflanzen setzt, also Pflanzen, die sich selbst ausbreiten. Wer Glück hat, kann auch tierischen Nachwuchs entdecken, der sich am geschaffenen Sandstrand mit Beach-Volleyballfeld die Sonne auf das Bäuchlein scheinen lässt.

Können Sie diese Getreidesorten auseinanderhalten?
Ein Nilgansküken hat es sich im warmen Sand in der Themenwelt „Die neuen Ufer“ bequem gemacht.

Die Bundesgartenschau hat über die Jahre gelernt. Wurden in den 90er Jahren noch riesige Freizeitareale mit weiten Blumenwiesen ohne jede Chance auf Nachhaltigkeit gestaltet, hat man längst begriffen, dass die große Frage unserer Zeit ist, wie Stadt und Natur eine sinnvolle und lebenswerte Symbiose eingehen. Die diesjährige Bundesgartenschau in Heilbronn schafft eine Musterlösung dieser Frage. Das passgenaue Konzept von städtebaulichen Überlegungen zum menschlichen Naturbedarf ist stimmig, funktionale und nachhaltige Architektur wurde mit einer sozialverträglichen Bewohnerstruktur kombiniert.

Bleibt am Ende der Wunsch, dass sie nachhaltig sein möge, diese Bundesgartenschau 2019. Den Durchführungskosten von knapp 44,5 Millionen Euro (34,5 Mio. Euro eigenfinanziert, zehn Mio. Euro kommen von der Stadt Heilbronn) für temporäre Ausstellungsbereiche, Betrieb und Personal stehen laut Buga-Öffentlichkeitsarbeit 144 Millionen Euro für öffentliche Daueranlagen und die übergeordnete Infrastruktur gegenüber. Dieses vordergründig positive Verhältnis von zeitweiligen und dauerhaften Bauwerken kehrt sich bei der Betrachtung der Baumpflanzbilanz beispielsweise um: knapp 2.700 Bäume wurden rund um die Bundesgartenschau gepflanzt, 1.700 Pappeln werden jedoch im Anschluss an die Ausstellung als Energieträger verwertet, 249 Bäume wurden bereits im Vorfeld des Buga-Baus gefällt.

Das sind letztendlich aber nur Zahlenspiele. Was von der Buga tatsächlich bleibt, wird nicht die Mathematik erklären, sondern das, was die Bürgerinnen und Bürger der Stadt Heilbronn bewahren und in ihre Stadtentwicklung integrieren. Heilbronn wird sich daran messen lassen müssen, wie viele der bunten Punkte auf dem Buga-Ausstellungsplan fest in den zukünftigen Stadtplan integriert werden. Es bleibt die Hoffnung, dass es möglichst viele sein werden.

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Die Bundesgartenschau 2019 hat noch bis zum 06. Oktober 2019 geöffnet. Tickets kosten EUR 23,00 für Erwachsene. Es gibt eine Reihe von Ermäßigungen. Mehr Informationen gibt es auf der offiziellen Website der BUGA.