Wild, wild, Volleyball!

Warum die vergebene Wildcard durch die Volleyball Bundesliga reichlich Risiken mit sich bringt.

Der Duden definiert eine Wildcard als „Berechtigung, an einem Turnier oder Wettkampf teilzunehmen, ohne die dafür geltende formelle Qualifikation zu erfüllen“. Soweit so gut. Seit dieser Woche muss diese Definition jedoch erweitert werden. Die Volleyball Bundesliga hat nun für ein Novum im deutschen Volleyballsport gesorgt und eine Ligazugehörigkeit per Wildcard vergeben. Konkret wurde dem TSV Unterhaching die Berechtigung zugesprochen, in der 1. Bundesliga aufzulaufen, ohne, dass die sonst im sogenannten Relegationssystem mit Auf- und Abstieg üblichen sportlichen Voraussetzungen für den Verein vorgelegen hätten. Auf gut deutsch: der Verein ist nicht in die 1. Bundesliga aufgestiegen, sondern erhält einen der bislang freien Bundesligastartplätze.

Diese Bundesligaplätze lagen bislang brach, weil in den letzten Jahren sowohl bestehende Bundesligaclubs insolvent gingen bzw. auf einen Verbleib in der 1. Liga aufgrund wirtschaftlicher Gründe freiwillig verzichten, und sich keine Nachrücker aus den 2. Ligen fanden, die das finanzielle Risiko einer Erstligasaison tragen wollten. Um diese Lücken – sowohl im Frauen- als auch in der Männerbundesliga – zu schließen und die Attraktivität der beiden höchsten deutschen Spielklassen zu erhöhen, wurde seitens der Volleyball Bundesliga die Wildcard ins Leben gerufen. Die Wildcard-Anwärter müssen im Gegenzug besondere Standortbedingungen, eine geeignete Spielhalle plus dem Nachweis von Zuschauerpotenzial sowie ein Sportkonzept und einen Wirtschaftsplan nachweisen.

Es dauerte gar nicht lange, bis ein Verein die Initiative ergriff und auf eine mögliche Wildcard-Vergabe durch die VBL hinarbeitete. Der TSV Husum setzte auf sein Konzept „WattVolleys“, konnte aber die Vorbereitungen nicht final für einen möglichen Start zur Spielzeit 2017/2018 umsetzen und arbeitet nun voraus für die Saison 2018/2019.

Im Hintergrund bahnte sich jedoch ein weiteres Wildcard-Konzept an, das vom TSV Unterhaching stammt. Selbiger ist kein unbekannter, sondern war bereits als „Generali Haching“ Erstligist und hatte sich im Sommer 2014 nach vierzehn Jahren Erstligavolleyball aus wirtschaftlichen Gründen aus der Bundesliga zurückgezogen. Das Pikante an diesem Antrag: hinter dem Wildcard-Antrag steckt eine Kooperation aus Unterhaching und dem österreichischen Meister Hypo Tirol Innsbruck.

Letztgenannter Club wurde seit 2014 ununterbrochen österreichischer Meister und beklagte schon seit längerem eine Konkurrenzlosigkeit. So entstand wohl die Idee, im benachbarten Deutschland mittels Wildcard an ein Startrecht in einer Liga zu gelangen, die sportlich stärker als die Österreichische einzuschätzen ist. So soll sich die Kooperation aus Unterhaching und Innsbruck damit manifestieren, dass sich die Spiele 50:50 auf beide Standorte aufteilen. Spätestens im zweiten Jahr will man mit vier bis fünf österreichischen Nationalspielern antreten, so Innsbrucks Manager Hannes Kronthaler auf einer Pressekonferenz.

Diese Woche wurde nun klar: die betroffenen Organisationen — die Volleyball Bundesliga, der Deutsche Volleyball-Verband und der Österreichische Volleyball-Verband — haben diesem Ansinnen zugestimmt und die VBL hat die Wildcard für die HYPO TIROL Alpenvolleys Haching erteilt. Möglich wurde dies, weil die Innsbrucker trotz des Meistertitels keinen Lizenzantrag in Österreich für die nächste Saison gestellt hatten. Die Volleyball-Fans in Deutschland und Österreich dürfen sich also ab sofort auf einen neuen VBL-Standort im südlichen Deutschland, respektive nördlichen Österreich freuen. Das ist gut und wird die Attraktivität der Männer-Bundesliga beleben!

Nichtsdestoweniger… selbst wenn man die Wildcard als Hebel, die bislang fehlenden Volleyballstandorte in den ersten Bundesligen aufzufüllen, per se begrüßt, so muss man doch festhalten, dass die Wildcard-Erteilung an die HYPO TIROL Alpenvolleys Haching etliche Risiken mit sich bringt. Diese sind wohl hauptsächlich beim Lizenznehmer zu suchen.

Zum einen wäre der riesige organisatorische Aufwand zu nennen, einen Volleyballstandort an zwei unterschiedlichen Heimspielstandorten zu betreiben. Ob sich hier eine breite Identifikations- und Fanbasis aufbauen lässt, darf zumindest bezweifelt werden. Zum anderen stellt sich die Frage, ob es in diesem erneuten Anlauf gelingt, den Standort Unterhaching in Sachen Wirtschaftlichkeit, Attraktivität und Eventfähigkeit zu reaktivieren und die Defizite hinter sich zu lassen, die vor dem Rückzug aus der Bundesliga zum Scheitern geführt hatten.

Aber auch die Volleyball Bundesliga nimmt mit dieser Entscheidung große Risiken auf sich. Mit der Genehmigung dieses länderübergreifenden Kooperationsmodells wurde sowohl inländischen als auch ausländischen Investoren mit möglicherweise undurchsichtigen Finanzierungsmodellen Tür und Tor geöffnet. Bleibt abzuwarten, wann große Unternehmen (vielleicht ein Brausehersteller?) hier preiswert und mit vergleichsweise wenig Investment zu schnellen Titeln zu streben. Die Liga ist gut beraten, weiterhin die einzelnen Wildcard-Anträge akribisch zu prüfen, denn mit Aufbrechen der geografischen Grenze durch Erteilung dieser Wildcard, dürften auch andere Anrainer ein Interesse an der deutschen Liga bekunden.

Fraglich dürfte auch sein, wie sich ein mögliches Scheitern des Projektes HYPO TIROL Alpenvolleys Haching auf die wirtschaftliche und Image-Reputation der Volleyball Bundesliga auswirken dürfte. Sollte dieses Worst-Case-Szenario tatsächlich eintreten, dürften die Chancen, das längst fällige Ligasponsoring zu erreichen, noch kleiner werden.