Audiotext zum Nach- und Mitlesen:
(Stadionatmosphäre ist hörbar)
UEFA Women’s Champions League, das Finale, 1. FFC Frankfurt gegen Paris Saint Germain. 1:1 steht es nach der regulären Spielzeit, wir sind in der Nachspielzeit. 92. Spielminute, Marozsán über links, flankt in den Strafraum, Gewusel, zwei Kopfbälle, aber keine Klärung, der Ball kommt irgendwie zu Mandy Islacker, die zieht ab und Tor! Der 1. FFC Frankfurt gewinnt die Champions League zum vierten Mal vor 17.147 Zuschauern!
(Die Stadionatmosphäre reißt plötzlich ab)
Ähhh, Moment… warum denn nur vor 17.147 Zuschauern?
Nun, mehr fasst der Berliner Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark nicht. Aber warum musste ein Champions League-Finale ausgerechnet dort stattfinden? Das fragte sich auch der Manager des 1. FFC Frankfurt, Siegfried Dietrich, und sparte im Vorfeld dieser Partie nicht an Kritik.
„Ich glaube, solch ein Endspiel hätte 50.000 Zuschauer verdient“, gab er kämpferisch zu Protokoll.
Zugegeben: eine Zahl, die auf den ersten Blick überambitioniert klingt. Sie ist aber nicht unrealistisch. Denn bereits im Jahr 2008, als der FFC Frankfurt zuletzt vor heimischer Kulisse den UEFA-Pokal gewann, kamen bereits 27.640 Zuschauer in die Commerzbank-Arena nach Frankfurt.
Üben wir uns also Mathematik. In der Saison 2007/2008 hat der Frauenfußball in Deutschland genau 117.027 Zuschauer in die heimischen Stadien gezogen. In der abgelaufenen Spielzeit waren es bereits 134.507 Zuschauer. Also ein Plus von fast genau 15%. Überträgt da man dabei dieses Wachstum auf die eben genannten 27.640 Zuschauer beim UEFA-Cup-Finale 2008, so hätte man doch grob mit etwa 32.000 Zuschauern rechnen können.
Tat man aber nicht. Die Angst, im Olympiastadion vor eventuell halb leeren Rängen spielen zu können, schien bei der UEFA einfach zu groß. Schließlich hatte man sich im Jahr zuvor mit der Vergabe nach Portugal und gerade einmal 8.000 Zuschauern kräftig blamiert. Stattdessen Aufspielen in einem maroden deutschen Sportpark mit Fußball-Abgewöhnfeeling, dank Leichtathletikbahn und größtmöglicher Distanz vom Publikum zum Spielgeschehen. Immerhin das ZDF überträgt live und gibt zumindest die Gelegenheit zum mittelbaren Fußballkonsum. Bleibt die Frage, warum die Politik eigentlich nicht reagiert hat, schließlich rühmt sich doch die Hauptstadt als Olympia-Bewerber mit Expertise für Großveranstaltungen! Hätte die Politik auch geschwiegen, hätte es sich um Männer-Fußball gehandelt?
Zwei weitere kurze Beispiele… dafür Szenenwechsel: Handball-WM 2014 in Katar, Deutschland ist dabei, nur, der Bildschirm bleibt schwarz. Überraschend kämpft sich Deutschland ins Viertelfinale, scheitert erst später am Gastgeber. Was bleibt für den Handballsport? Eine große verpasste Chance! Die fehlenden Übertragungen sorgen für eine massiven Werteverlust im Deutschen Handballsport.
Noch einmal Szenenwechsel: noch einmal eine Weltmeisterschaft, dieses Mal im Volleyballsport. Deutschland gewinnt 2014 sensationell nach 44 Jahren ohne Medaille Bronze bei der Weltmeisterschaft in Polen. Ein überraschendes Resultat, bloß wer kennt eigentlich die Namen, die dahinterstehen? Wer nimmt von diesen Erfolgen Kenntnis? Die Volleyball Bundesliga zwar aus eigenem Antrieb sehr motiviert, aber bislang ohne regelmäßige TV-Präsenz. Sieht man vom Pokalfinale mal ab, ist vom regulären Spielbetrieb kaum etwas im Free-TV zu sehen.
Drei Beispiele, die zeigen, dass im Deutschen Sport einiges aus dem Gleichgewicht geraten ist. Der Männerfußball, er dominiert den deutschen Sportmarkt mit immer noch zunehmenden Wachstumsraten. Überspitzt betrachtet treiben wir auf eine Monopolisierung des Sports zu, denn gefühlt ist doch alles andere als Männerfußball schon Randsport.
Die Konsequenz: während man im Männer-Fußballsport sich gefüllter Stadien erfreut und mittlerweile bis in die vierte Liga Live-Bilder im Free-TV erhalten kann, schauen die anderen Sportarten in die Röhre. Und das ist existenzbedrohend. Alleine im Volleyballsport sind in den letzten drei Jahren drei von 12 Männer-Bundesligavereinen aufgrund von Insolvenz ganz von der Bildfläche verschwunden.
Nun aber was genau läuft denn falsch, fernab des Männer-Fußballs? Die Lösungsansätze sind nicht einfach, bewegen sich die übrigen Sportarten doch in einer Art Teufelskreislauf. Ohne attraktive Stadien und ohne TV-Zeiten — gerade in den öffentlich-rechtlichen Medien — ziehen die Spitzenvereine keine Sponsoren an. Keine Sponsoren heißt weder Professionalisierung noch Kommerzialisierung. Das wiederum sorgt dafür, dass die notwendigen Mittel für das Schaffen von attraktiven Events fehlen, somit wiederum die Zuschauer und so weiter und so fort.
Wie aber den Weg aus der Misere finden?
Die Sportpolitik dieses Landes muss auf den Prüfstand, zumindest muss selbige ihr Totalversagen überwinden. Denn die Politik ist es, die Hebel anbringen muss, die Gelegenheiten schaffen muss, dass Spitzenvereine im Randsport selbst ihr Schicksal wieder in die Hand nehmen können. Aus reiner Wirtschaftlichkeit wird sich die Schere zwischen Männerfußball und Rest-Sportdeutschland nicht mehr schließen. Die Politik muss Mut aufbringen, Mut zu unpopulären Entscheidungen, die sich gegen Deutschlands liebstes Kind richten, den Männerfußball. Es müssen Kompromisse her, die Waage im Deutschen Sport muss wieder ausbalanciert werden. Da müssen auch mal Zwangs-TV-Zeiten für andere Sportarten ins Gespräch gebracht werden, gerade im öffentlich-rechtlichen Rundfunk.
Und ich bin mir sicher, dass mit einer Ausbalancierung des Deutschen Sports auch die Wirtschaft wieder ihr Engagement ausbalanciert und breiter im Deutschen Sport aufstellt. Denn seien wir ehrlich, ein Unternehmen, das sich im Sponsoring engagieren möchte, arbeitet nach dem Maximalprinzip und will für seinen Einsatz das bestmögliche Resultat. Und das erhalte ich nun mal nicht in einem brüchigen Berliner Sportpark, auf Trikots einer Weltmeistermannschaft, die nie im Fernsehen zu sehen ist, geschweige denn bei Volleyballern, deren Namen nur die Szene kennt.
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