Wer ans Bett denkt, denkt an Schlafen, an Kuscheln, an Wärme, vielleicht auch an Sex und Leidenschaft. Für Menschen in einer aktuten depressiven Episode kann das Bett jedoch zum Schutzkokon und Gefängnis gleichermaßen werden, zum unnachgiebigen Magneten, der den Körper in die Horizontale fesselt.

„Es gibt Tage, wo das Leben übertrieben flau ist. Zu Bett gehen; weiter hilft nichts mehr“

schrieb Heinreich Mann einst. Bei Depressionserkrankungen kann die Strahlkraft des Bettes weit über dieses Zitat hinaus gehen. Ein Beispiel dafür war der gestrige Samstag.

Der Auslöser dafür waren Albträume. Sie kommen bei mir häufig und sind in ihrem Plot oft terminal. Mit „terminal“ meine ich, dass ich Opfer von Gewalthandlungen werde. Ich werde mißhandelt, gehetzt, erniedrigt, geschlagen, erstochen, ermordet und was man sich in der Brutalität des Menschseins noch so vorstellen kann. Die Träume sind sehr plastisch und ich habe während des Träumens das Gefühl, dass ich das Geschehen und den damit verbundenen Schmerz tatsächlich erlebe. Zumeist wird mir der Schmerz von Menschen zugefügt, die ich kenne, die mich in der Vergangenheit verletzt oder mir Unrecht zugefügt haben.

Nun besorgt es die Plastizität die Traumes, dass das Aufwachen nach solch einem traumatischen, wenngleich sich im Unterbewusstsein abspielenden Schmierenschauspiels, nicht minder traumatisch ist. Denn der Transfer von Unterbewusstsein hin zu den bewussten Gedanken beginnt (Achtung, das ist keine wissenschaftliche, sondern meine Erklärung!). Meine Gefühlslage an diesem Samstag veröffentlichte ich in folgendem Tweet:

Ich suche seit Jahren schon nach Erklärungsansätzen für die ewige Traumfolter. Ein Erklärungsversuch könnte ein mögliches vererbtes Kriegs- und KZ-Trauma meines Großvaters sein, der die Schrecken von gleich mehreren Konzentrationslagern überlebte. Aufmerksam gemacht wurde ich darauf von einer im Jahr 2018 in der Sendereihe „Lebenszeit“ veröffentlichten Sendung des Deutschlandsfunks. Unter dem Titel „Vererbte Wunden — Wie Traumata über Generationen weiterwirken“ fand eine Diskussion zur mittlerweile wissenschaftlich nachgewiesenen Vererbung von Kriegstraumata an Folgegenerationen statt. Leider ist die Sendung nicht mehr im Netz nachzuhören.

"Ich bin chronischer Schlechtträumer. Das ist wahrscheinlich die Verarbeitung von Selbstzweifeln und gewissen Traumata."

So war es mir ein Herzensanliegen, auch den begleitenden V-Log im Bett aufzuzeichnen. Nicht um schlüpfrig zu werden, sondern schlichtweg, um zu zeigen, welche Multifunktionalität das Bett in akuten depressiven Episoden haben kann. Es kann Fluch und Segen gleichmaßen sein. Es kann schützender Kokon, aber auch Folterinstrument sein. Es kann Geborgenheit vermitteln, aber auch Freiheit entziehen.
 

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Habt Ihr weitere Fragen an mich?

Vielleicht habt Ihr jetzt nach Erscheinen der 8. Folge des V-Logs eine Frage zum Projekt „5.000.000 Schritte“ oder zu Depressionen im Allgemeinen? Dann schreibt mir gerne eine Mail (auch anonym) oder benutzt den Hashtag #5MSchritte auf den Plattformen Facebook oder Twitter.
 

#5MSchritte