Seit 1868 verfügt die Stadt Frankfurt am Main über die Position des Oberbürgermeisters. In der 154-jährigen Geschichte dieses Amtes ist eines noch nie vorgekommen: die Abwahl eines solchen Stadtoberhaupts. Am heutigen Sonntag wird es also in der Mainmetropole zu einer Premiere kommen. Die Stadtbevölkerung hat in einem Bürgerentscheid die Macht, über die Zukunft von Peter Feldmann (SPD) entscheiden zu können.

Frankfurt am Main steht unmittelbar vor dem Bürgerentscheid zur Abwahl des amtierenden Oberbürgermeisters Peter Feldmann (SPD). Die Bürgerinnen und Bürger der Mainmetropole haben es in der Hand, das Stadtoberhaupt abzuwählen, vorausgesetzt das notwendige Quorum von 30% der Wahlberechtigten wird erreicht. So steht es in der Hessischen Gemeindeordnung. Knapp 513.000 Menschen dürfen votieren und sehen sich bei Teilnahme am Bürgerentscheid mit einer einfachen Frage konfrontiert: „Stimmen Sie für die Abwahl des Oberbürgermeisters der Stadt Frankfurt am Main, Herrn Peter Feldmann?“ Die Wahlmöglichkeiten sind einfach, denn nur zwei Optionen sind möglich: „Ja“ oder „Nein“.

Die 30%-Hürde

Dass das Quorum für die Abwahl erreicht wird, gilt als fraglich. Ca. 153.000 Menschen müssten zur Urne schreiten oder sich im Vorfeld per Briefwahl für die Abwahl entschieden haben. Aus dem Abwahlprocedere ergibt sich, dass jede*r Wähler*in, die*der nicht ihr Kreuzchen setzen, quasi automatisch für den Verbleib von Feldmann im Amt stimmen. Dass diejenigen, die wählen gehen werden, wohl vormerklich für die Abwahl des Oberbürgermeisters stimmen werden, gilt als gesichert. Auch weil es zu einer weiteren Premiere in der Frankfurter Stadtpolitik kam. Nachdem Feldmann zuletzt unter konstantem politischem Druck stand, schlossen sich große Fraktionen des Frankfurter Stadtparlaments zusammen und initiierten eine gemeinsame Plakatkampagne. Neben den Grünen, der CDU, der FDP und Volt forderte auch seine Heimatpartei SPD Feldmanns Abwahl und einen „Neustart für Frankfurt“.

Feldmann unter Druck: der entgleiste Oberbürgermeister

Die Causa Feldmann geriet ins Rollen, als sich ein Korruptionsverdacht im Kontext der Affäre um die Frankfurter Arbeiterwohlfahrt (Awo) erhärtete. Feldmann wird vorgeworfen, er habe seiner Frau eine Leitungsstelle bei der Awo verschafft. Seit Oktober muss er sich vor dem Frankfurter Landgericht nach §331 StGB wegen Vorteilsannahme verantworten. Nach wie vor beteuert der OB seine Unschuld. Das Verfahren ist noch am Laufen.

Zusätzlich steht Feldmann wegen zahlreicher öffentlicher Fehltritte in der Kritik. Sei es der sogenannte „Pokalklau“ bei der Begrüßung von Eintracht Frankfurt nach dem Europacup-Finalsieg oder ein Twitter-Video, in dem Feldmann eine äußerst sexistische Bemerkung über Flugbegleiterinnen machte. Dazu noch die langwierige Posse um seinen politischen Rückzug, die ihn das Vertrauen aus den eigenen Reihen kostete. Selbst nach dem Veröffentlichen der Plakatkampagne für seine Abwahl leistete er sich einen weiteren Fauxpas mit der Aussage, „Sammelt lieber für die Tafeln. Vom Plakatieren werden die Menschen nicht satt.“ Dieser finalen Entgleisung folgte die eiskalte Aussage vor Gericht, dass er sich von seiner Frau einen Schwangerschaftsabbruch gewünscht habe.

Das eigene politische Erbe zerstört

Im Egotrip der letzten Monate geht Feldmanns politisches Vermächtnis für die Stadt völlig unter. Er brachte sich intensiv für soziale Themen ein, setzte die Mietpreisbremse bei der städtischen Wohnungsbaugesellschaft ABG ein, schaffte kostenlose Kitaplätze sowie einen teilweise günstigeren ÖPNV in der Stadt. Feldmann sah sich selbst als „obersten Klassensprecher“, der politischen Einschätzung nach darf er als Vertreter des sozial-linken SPD-Flügels gesehen werden. Neben seinen Errungenschaften halten Kritiker des Abwahlverfahrens zudem die Unschuldsvermutung im geltenden Verfahren für berücksichtigenswert. Nichtsdestoweniger fiel Feldmann in seiner Amtszeit immer wieder durch Alleingänge auf, die sich bis zuletzt häuften, wie die umstrittenen Aussagen zur Bindung-Rettung oder die Knüpfung einer Städtepartnerschaft mit Kiew im Alleingang.

Frankfurt braucht einen Neuanfang

Liest man die Kommentare in den sozialen Medien scheint die Frankfurter Onlineblase die „Schnauze voll“ von Feldmann zu haben. Sein egozentrierter Umgang, gerade in den letzten 12 Monaten, hat das wenige Vertrauen verspielt, was Feldmann in seinen zwei Legislaturen aufbauen konnte. Neben seinem trampeligen Umgang mit der Öffentlichkeit gibt es jedoch einen weiteren relevanten Grund, ihn aus seinem Amt zu wählen. Denn auf welche Art und Weise will Feldmann mit seinem kommunalen Gremium weiterhin zusammenarbeiten? Das Vertrauen zwischen Stadtparlament und Oberbürgermeister dürfte zusammengebrochen sein. Entscheidungsprozesse stocken bereits jetzt sehr erheblich und eine Besserung der Situation wird mit Verbleib von Feldmann im Amt nicht eintreten. So sprechen viele Gründe am heutigen Wahltag für das Kreuz bei „Ja“.