Die tägliche Arbeitswelt stellt uns nicht immer vor Herausforderungen. Manchmal ödet sie einfach nur an. So kommt es, dass mir nach etwa 290 Tagen der „5 Millionen Schritte“ bewusst wird, dass ich viel meiner Lebenszeit mit — und fassen Sie das bitte nicht als Arroganz auf, denn so ist es nicht gemeint — geistiger Unterforderung verbracht habe. Die Monotonie hat lange eine Rolle in meinem Leben gespielt.

Als ich den Stadtsee entlang laufe, frage ich mich, warum mich dieser Mensch so außergewöhnlich bereichert. Und wie es so oft ist, wenn ich meine Gedanken kreisen lasse, schlage ich thematische Haken. Ich befinde schnell, dass Robert – um den es hier geht und wegen dem ich gerade in Stendal weile –, mich geistig herausfordert. Ich hinterfrage, warum ich das Gefühl, das ich in seiner Gegenwart und in der Gegenwart meines engen Freundeskreises spüre, so selten im Leben gefühlt habe.

Zur Lösung komme ich schnell. Weil ich mich im Leben schnell habe unterfordern lassen. Leichte berufliche Tätigkeiten haben mir in meinen frühen Twen-Jahren Stabilität gegeben. Und das Gefühl, ich beherrschte die Situationen besonders schnell. Man könnte auch sagen, ich bin meinem eigenen Kontrollzwang erlegen. Und das ständige Lob, alles fast perfekt auszuführen, streichelte die früh geschundene Seele. Aber die konstante geistige Unterforderung hat partiell ein Grundbedürfnis verkümmern lassen. Nämlich das, meinen umtriebigen Geist zu befriedigen. Die Wissenschaft spricht dabei vom Phänomen des „Bore-outs“.

Nun ist es nicht so, dass meine Depressionen alleine durch „Bore-out“ entstanden sind, aber sie erklären meine hyperaktive Vita. Denn neben dem zumeist monotonen Arbeitsleben zwang mich irgendetwas immer, mir anderswo geistige Befriedigung einzuholen. Riss ich Bordkarten am Flughafen ab, musste ich schreiben und eine journalistische Ausbildung ablegen, kopierte ich von einem zum anderen Bildschirm, musste ich mir im Ehrenamt und im Studium Ersatzbefriedigung holen. So ergab sich bei mir ein doppeltes Paradoxon. Das „Bore-out“ machte mich depressiv, meine Nebentätigkeiten befriedigten zwar die geistigen Notwendigkeiten, aber insgesamt glitt ich durch die Hyperaktivität dann doch tiefer in mein depressives Wesen.

Ich spreche darüber in der begleitenden Episode des V-Logs zu den „5 Millionen Schritten“:
 

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„Bore-out ist ein Hinweis auf dauerhafte Unterforderung, die krank machen kann.“

Psychotherapeut Wolfgang Merkle, Chefarzt der Psychosomatischen Klinik am Frankfurter Hospital zum Heiligen Geist

Wie steht es um das Projekt „5 Millionen Schritte“?

Mit großen Schritten geht es auf die 300-Tage-Marke zu. Im Bewusstsein, dass die Hälfte des Projekts hinter mir liegt, wachsen einige Erkenntnisse. Zum einen, dass die durchschnittliche Schrittzahl pro Tag nach den heißen Sommertagen wieder nach oben steigt. Spaßeshalber sage ich an dieser Stelle immer, dass ich eher ein „Eisbär“ sei, aber die Statistik unterlegt sehr genau, dass mein Wohlbefinden bei niedrigen Temperaturen deutlich höher liegt. Zum anderen aber auch, dass mit jedem Tag, an dem ich 10.000 Schritte laufe, der Wunsch nach einem Tag Faulenzen immer größer wird. Allzu gerne sehne ich mich danach einen Wochenendtag komplett im Bett oder auf der Couch zu verbringen. Das Projekt treibt mich aber an und so laufe ich nach wie vor Schritt für Schritt.

Apropos Schritte: der aktuelle Stand des Projekts wird nach wie vor von mir auf Twitter täglich fortgeschrieben:

Habt Ihr weitere Fragen an mich?

Vielleicht habt Ihr jetzt nach Erscheinen der 24. Folge des V-Logs eine Frage zum Projekt „5.000.000 Schritte“ oder zu Depressionen im Allgemeinen? Dann schreibt mir gerne eine Mail (auch anonym) oder benutzt den Hashtag #5MSchritte auf den Plattformen Facebook oder Twitter.

#5MSchritte