Audiotext zum Nach- und Mitlesen:

Nun ist also das ans Tageslicht gekommen, was jeder schon irgendwie vermutet hat, aber entweder nie belegen konnte oder nie belegen wollte. Der Weltfußballverband FIFA hat ein perfides System der Korruption aufgebaut, an dessen Spitze ein cleverer Taktiker steht, Joseph Blatter. Und der wurde gerade in seine 5. Amtszeit wiedergewählt trotz der Verhaftungen von sieben der insgesamt 22 Mitglieder im FIFA-Exekutivkomitee. Die Vorwürfe: Geldwäsche, Betrug, Urkundenfälschung und eben Korruption. Allesamt schwerwiegende Delikte, nach US-Strafrecht mit bis zu 20 Jahren Haft zu ahnden.

So kann den meisten Fußballfans nicht klar gemacht werden, wie es trotz dieser Vorwürfe zu der Wiederwahl Blatters gekommen ist. Die Beantwortung dieser Frage bedarf keiner Moral, sondern einer Analyse des „Systems Blatter“. Der FIFA-Chef, er versteht es, durch gezielte Maßnahmen und Finanzspritzen in Fußball-Entwicklungsländern einen Apparat zu formen, der in den letzten Jahren auf einen Machterhalt Blatters ausgerichtet wurde. Gleichzeitig hat sich der Weltverband zu einer gewaltigen Wirtschaftsmacht entwickelt.

Und das ist für viele Teilhaber jetzt ein echtes Problem. Der Weltfußball hat ein Imageproblem, das Ansehen des Fußballs: es ist nachhaltig geschädigt worden. Und das betrifft nicht nur jeden Fußballspieler, jeden Fan, jeden Verein selbst, nein, das färbt ebenso auf die Sponsoren dieses Sports ab.

Und auch die sind letztendlich nur Gefangene des „Systems Blatter“. Denn zögen sich die bislang aktiven Konzerne als Sponsoren zurück, sind aufgrund der Wirtschaftskraft und der Attraktivität der Reichweite des FIFA-Fußballs schon die nächsten Unternehmen dort, um nachzurücken. Nichtsdestoweniger wäre z.B. ein Boykott der nächsten Fußball-WM seitens der Sponsoren ein aussagekräftiges Symbol, um zumindest Blatter von seinem selbstgefälligen Thron zu entheben.

Der Fußballsport steckt also in einer handfesten Krise. Er hat ein Imageproblem und muss befürchten, dass seine Glaubwürdigkeit genauso auf der Strecke bleibt, wie der vom Doping heimgesuchte Radsport.

Diese Krise bietet eine sportpolitische Chance. Sie bietet Gelegenheit, die fast monopolträchtige Wirtschaftsmacht des Fußballsports zu relativieren. Sie bietet die Gelegenheit, Fernsehzeiten und Sportschwerpunkte in den Medien zu überdenken. Die Fußballkrise bietet die Chance, für alle anderen Sportarten, wirtschaftlich an den Fußball aufzuschließen, selbstbewusst andere Werte und Normen zu vermarkten und diese mit großen Marken zu verknüpfen.

Es dürfte allen klar sein, dass nicht nur der Fußballsport seine altbekannten „Leichen im Keller“ trägt, sondern alle Sportarten das mehr oder minder tun.

Für den Fußballsport zählt nun das Zurückgewinnen von Reputation. Für alle anderen Sportarten wird es im Rahmen der Professionalisierung und Kommerzialisierung des Sports darauf ankommen, diese Schwäche der machthabenden Konkurrenz zu nutzen und die Gunst der Stunde selbstbewusst zu ergreifen.

Letzteres täte der vom überdominanten Fußball geprägten Sportlandschaft in Deutschland mehr als gut.