Gut gemeint ist nicht immer gut gemacht. Meine ganz eigene Erfahrung habe ich unter dem humanistischen Drang gemacht, nach dem Hurricane „Irma“ schnell und unbürokratisch Hilfe zu leisten. Ich verstehe mittlerweile, warum der Gang zu Hilfsorganisationen oftmals die bessere Wahl ist.

Ich habe einen Brieffreund. Nun ja, eigentlich trifft es das Wort „Brieffreund“ in Zeiten einer digitalisierten Welt nicht mehr ganz. Schreiben wir uns doch neben Briefen und Postkarten auch E-Mails und pflegen einen regen Austausch über Facebook.

Brieffreund hört sich außerdem so oberflächlich an. Wir teilen schließlich auch sehr persönliche Gedanken, besprechen aktuelle Sorgen und Nöte, teilen aber auch genauso unsere glücklichen Momente und unsere Freude.

Sagen wir also, ich habe einen Freund, der im Ausland wohnt. Auf Kuba.

Erst kürzlich, als Hurricane „Irma“ über die Karibikstaaten zog und große Verwüstungen hinterließ, war ich sehr in Sorge über meinen Freund. Vor dem Hurricane hatten wir fast täglich (digitalen) Kontakt, dann hörte ich tagelang nichts mehr.

Im Fernsehen sah ich von den schlimmen Verwüstungen, die das Wetterphänomen auf den karibischen Inseln hinterließ. Ich konnte mir erschließen, dass der Zugang zum ohnehin schon sehr reglementierten Internet für ihn nur schwerlich möglich sein würde. Als ich endlich eine Antwort bekam, berichtete er mir von den Aufräumarbeiten, die große Solidarität im Land und davon, dass sich jeder Bürger beteilige, die Straßen von Schlamm und Schutt zu befreien.

Ein Detail seiner Erzählungen bewegte mich sehr persönlich. Durch den Hurricane und die damit verbundenen Produktions- und Lieferausfälle war es zu Engpässen in den Supermärkten gekommen. Während Nahrungsmittel und Wasser ausreichend vorgehalten wurden, waren Hygieneprodukte wie Deodorant, Seife und Duschgel so verknappt, dass die Preise ins Unerschwingliche stiegen. Der auf Kuba übliche Schwarzmarkt boomte.

Was in unserer deutschen Überflussgesellschaft schier unbegreiflich scheint, nämlich, dass sich normale, durchschnittliche Bürger keine Seife mehr leisten können, hat mich so bewegt, dass ich beschloss, ein Paket zu meinem Freund nach Kuba zu schicken.

Auf Facebook erklärten sich einige User meiner Timeline bereit, mich sowohl durch Waren als auch finanziell mit einem Zuschuss für das teure Porto nach Kuba zu unterstützen. Als Ziel steckten wir uns, eine zehn Kilogramm schwere Sendung zu ihm zu schicken.

Gesagt, getan. Das Paket wurde gepackt und dank zahlreicher Spenden fand sich darin ein Vorrat an Seife, Duschgels, Shampoo, Zahnpasta und vielen weiteren nützlichen Ingredienzien mehr. Die Bürokratie der Zollformulare beschränkte sich auf ein Minimum und so ging das Paket auf die Reise und sollte dem Paketversender nach etwa 1,5 Wochen brauchen.

In Vorfreude auf das Paket checkte mein Freund regelmäßig die Paketnummer und berichtete mir fortwährend, wo sich das Paket auf seiner großen Reise gerade befand. Für ihn war das ungeheuer aufregend, denn – ebenfalls für uns unvorstellbar: mit Mitte Zwanzig war es das allererste Paket für ihn, das er überhaupt bekommen sollte. Als das Paket Kuba erreichte, nahm er telefonisch mit dem Büro des Paketdienstes Kontakt auf und wusste eine schockierende Nachricht zu berichten.

Ich kann mir das leider nicht leisten.

Kubanischer Freund

Er schrieb mir, dass es ihm furchtbar leidtue, er aber das Paket nicht annehmen werden könne. Verdutzt schrieb ich ihm zurück: „Aber warum denn nur? Diese Hilfe kommt von Herzen!“

Sein schlechtes Gewissen war ihm über den Tonus seiner E-Mails anzumerken.

„Weil ich für das Empfangen eines Paketes eine Gebühr zahlen muss“, schrieb er zurück, „und ich kann mir das leider nicht leisten.“

Eine Gebühr für den Empfang einer Sendung? Ich dachte zu allererst an Zollgebühren, die eventuell für das Hilfspaket hätten anfallen können. Aber ich war mir sicher, die zulässigen Freimargen nicht überschritten zu haben. Nein, das konnte es eigentlich nicht sein, schließlich befand sich in dem Paket von genau 9.100 Gramm ein Warenwert, der nicht mal zehn Euro überstiegen haben dürfte.

Mein Freund klärte mich auf Nachfrage auf, dass Kubaner generell für den Empfang eines Paketes eine Empfangsgebühr zu entrichten haben, die sich nach dem Gewicht der Sendung richte. Ich dachte, „nun gut, die kriegen wir auch noch zusammen“, und fragte ihn, um welchen Betrag es sich handele.

„Honey“ – er spricht mich auf Englisch immer so an, „es sind bei diesem Paketgewicht in Deiner Währung etwa 145 Euros.“

Ich dachte erst, es handele sich bei seiner Botschaft um einen Schreibfehler. Vielleicht fehlte in seiner Nachricht ein Komma und er meine „Vierzehneurofünfzig“. „Nein, 145 Euros!“

Ich verstand die Welt nicht mehr! 145 Euro für fast zehn Kilo Seife?

Daniel R. Schmidt

Ich verstand die Welt nicht mehr! 145 Euro für fast zehn Kilo Seife?

Und tatsächlich. Meine blauäugige und naive Hilfsbereitschaft und Spontaneität standen einer akribischen Recherche im Vorfeld im Wege, ist das Internet doch voll mit Erfahrungsberichten, was den Paketversand nach Kuba anbetrifft. Tatsächlich ist es so, dass die Correos de Cuba, also die staatliche, kubanische Post hohe Gebühren für den Empfang von Sendungen aus dem Ausland erhebt. Diese entfällt lediglich bei Päckchen unter 1,5 Kilogramm. Und wir sprechen hier – wie schon gesagt – nicht von möglichen Zollgebühren bei höherwertigen Waren.

Ich ging die möglichen Alternativen in meinem Kopf durch. Die Gebühr zu übernehmen, war für mich selbst keine Option, da ich in diesem Moment monetär selbst äußerst knapp aufgestellt war. Die Sendung durch meinen Freund verweigern zu lassen, erschien mir auch keine gute Lösung, meinte ich doch angekreuzt zu haben, dass die Sendung bei Lieferschwierigkeiten zu mir zurückgesandt werden solle. Ich fürchtete also hohe Rückführungsgebühren.

Glücklicherweise sprang ein Freund von mir ein und versprach, die Gebühren an der Sendung zu übernehmen, da er meinen Hilfsaufruf verpasst hatte, sich aber an der Hilfsaktion im Miniformat beteiligen wolle. Dankenswerterweise übernahm er die vollen Gebühren (!) und ich zollte ihm meinen tiefsten Respekt.

Wiederum dachte ich in meiner Naivität daran, dass man einfach eine Geldsendung mittels einer der üblichen Services, wie Western Union oder Moneygram tätigen könne. Und wieder lag ich ziemlich daneben, bestehen doch äußerst restriktive Wirtschaftssanktionen, was den Geldtransfer nach Kuba betrifft. Zur Klärung dieser Angelegenheit musste also Expertenrat her! Zwischenzeitlich drohte allerdings die Lagerfrist des Paketes zu verstreichen, was meinen Freund äußerst nervös werden ließ.

Nach intensiven Studium von diversen Internetforen und Rücksprache mit Banken gelang es uns, einen Transfer zu arrangieren, der ausnahmsweise durchgeführt werden konnte, weil Geldtransfers zu humanitären Zwecken nach dem Hurricane „Irma“ erlaubt worden waren.

Schlussendlich gab es dahingehend ein Happy-End, dass das Paket nach diesem Transfer tatsächlich von meinem Freund für ihn selbst und seine Familie in Empfang genommen werden konnte. Als Wermutstropfen bleibt jedoch die Erkenntnis, dass für die knapp 61 Euro Porto und 145 Euro Empfangsgebühren ein sofortiger Geldtransfer für meinen kubanischen Freund wesentlich effizienter gewesen wäre. Er hätte sich davon kiloweise Seife vor Ort kaufen können. Auch, wenn sie exorbitant teuer gewesen wäre.

Foto: Beck Gusler, Flickr, Lizenz nach CC BY-SA 2.0