Dass die Werke der amerikanischen Gegenwartskünstlerin Cady Noland gerade in einer Ausstellung des Museums für moderne Kunst in Frankfurt zu sehen sind, darf getrost als kleine Sensation betrachtet werden, entzog sich die gesellschaftskritische Künstlerin in den letzten Jahren konsequent der Öffentlichkeit. Die neue MMK-Chefin Susanne Pfeffer sorgt mit dieser Schau gleich mal für einen Paukenschlag bei ihrer ersten Kuration im MMK.

Es gibt Menschen, die in sich zahlreiche Widersprüche tragen. Die Künstlerin Cady Noland dürfte man zu diesen Menschen zählen. Als noch Dreißigjährige verfasste sie den aufsehenerregenden Aufsatz „Towards a Metalanguage of Evil“ und prangerte den zunehmend global-exportierten US-amerikanischen Lebensstil an, um sich in den neunziger Jahren in einem Akt der Autodestruktion der Öffentlichkeit zu entsagen. Mit ihrem „Disenvow“ (also dem Entzug ihrer Signatur) zum Werk „Cowboys Milking“ kurz vor einer Auktion, zahlreichen Rechtsstreitigkeiten und ihrem folgenden Rückzug aus der Öffentlichkeit, trieb sie unbewusst die Preise ihrer Werke in ungeahnte Höhen. Ähnlich dem Street-Art-Künstler Banksy wurde sie zum sich selbst widersprechenden Mysterium.

Jetzt sind ihre Objekte noch bis zum 31. März 2019 im Frankfurter Museum für moderne Kunst zu sehen. In ihren Werken thematisiert die Tochter des Farbfeldkünstlers Kenneth Noland die Gewalttätigkeit der Gesellschaft unter naiver Betrachtung des amerikanischen Traums. Ihre Objektkombination aus Alltagsgegenständen zeigt nicht die Gewalt des Handelns, sondern die Aggression der Materialien. Kalte Gegenstände, glitzernde Metalloberflächen, assoziative Strukturen: Nolands Werkstoffe zeigen Exklusion, Abgrenzung, Ausschluss und Sensationsgebahren, gesellschaftliche Negativwerte, die trotz der Schöpfungsphase der ausgestellten Werke in den achtziger und neunziger Jahren, im Jahr 2019 präsenter denn je sind.

Cady Noland „Publyck Scupture“

Ganz exemplarisch dafür steht das Werk „Publyck Scupture“, das den MMK-Besucher nach Betreten der Ausstellung sogleich mit voller Härte trifft. Das silbern getünchte Holzgerüst mit den drei nagelneuen Autoreifen jeweils an Ketten aufgehängt, erzeugt eine schillernde Reflektion im spiegelblank geputzten Museumsboden. Die weißen hohen Wände schenken der Konstruktion viel Raum, aber gleichzeitig die Gewalttätigkeit, die die weitere Ausstellung ausstrahlen wird. Die schlichte Minimal Art als drohender Pranger, als Ausdruck von Aggression, Ausgrenzung und Vernichtung.

Dieses erste Kunstwerk gibt dem Besucher gleich einen Vorgeschmack der Stärken der gesamten Ausstellung. Das MMK – sonst eher bekannt für den Drang, Ausstellungen zu überfrachten – schenkt den Werken ungewöhnlich viel Raum. Manchmal so viel Raum, dass der Betrachter gar nicht damit umzugehen weiß. Wie dicht darf man an die Werke herantreten? Wie dicht darf man sich an Werke herantrauen? Auch das macht einen Teil der gelungen Emotionstransfusion der Noland-Schau aus.

Die Werke von Cady Noland nehmen den Raum gänzlich ein
"...Gewalt ist die Stelle der Bifurkation eines ursprünglich naiv anarchischen Protests männlicher Körper in scheinrationalen Ordnungen..."

Diedrich Diederichsen im Essay 'Verletzen, Wetten, Kontrollieren: Rückblick auf eine Metasprache'

Susanne Pfeffer hat diese Ausstellung in einem langen und intensiven Prozess gemeinsam mit Cady Noland vorbereitet. Die Realität einer globalisierten, konsumorientierten Menschheit, der Renaissance von Hass, Ausgrenzung, Gewalt, neu geschaffenen Barrieren und der unentwegten und rücksichtslosen Individualisierung der Gesellschaften ist mit durch hervorragend inszenierten Einzelwerken und die durch thematisch passende Eigenbestände ergänzte Ausstellung ausgezeichnet reflektiert. Ordnet man diese Ausstellung in den Lebenskontext von Cady Noland ein, wird deutlich, dass Susanne Pfeffer mit ihrer Premierenausstellung ein wahrer Clou gelungen ist. Darüber können auch nicht die Schwächen der Ausstellung hinwegtäuschen: das Beleuchtungskonzept wirkt lieblos und unharmonisch, die Anzahl an durch die Ausstellung wuselnden Wachmänner – vielleicht ja auch als Teil der auszudrückenden Autorität zu sehen – schlicht überdimensioniert und das von Diedrich Diederichsen verfasste Essay „Verletzen, Wetten, Kontrollieren: Rückblick auf eine Metasprache“ im Ausstellungsführer bleibt wohl nur denjenigen vorbehalten, die sich auch für sprachliche Brutalität begeistern können (Zitat: „[…] Gewalt ist die Stelle der Bifurkation eines ursprünglich naiv anarchischen Protests männlicher Körper in scheinrationalen Ordnungen: […]“).

Die Brutalität der Werke von Cady Noland zeigt sich im weiten Raum

Wer die Cady-Noland-Ausstellung im MMK unvorbereitet besucht, wird förmlich in einen Denkprozess gesogen. Mit Verlassen des Hauses könnte dann entweder eine große Welle der Enttäuschung über den Besucher hereinbrechen oder das genaue Gegenteil: eine Überschwänglichkeit über die Kühle, den Glanz und die volle Härte der Installationen. Diese Bipolarität glättet sich beim Einordnen der Werke in den zeitgeschichtlichen und gesellschaftlichen Kontext. Cady Noland verarbeitet den amerikanischen Traum aus einer grundnaiven Haltung heraus, um ihn dann mit einer großen Präzision und Trennschärfe zu entblößen. Der Star-Spangled Banner, der Cowboysattel oder die Handfeuerwaffe basieren auf dem Grundmythos von Freiheit, bilden aber eine urgrausame gesellschaftliche Wirklichkeit ab, deren volle Radikalität von Noland inszeniert und greifbar gemacht wird.

Die Ausstellung im Frankfurter Museum für Moderne Kunst 1 läuft noch bis zum 31. März 2019.
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