Audiotext zum Nach- und Mitlesen:

Nun also doch kein generelles Aus! Das Internationale Olympische Komitee mit seinem Präsidenten Thomas Bach hat verkündet: kein vollständiger Ausschluss der russischen Olympiamannschaft durch das IOC!
Im Pressestatement des IOC heißt es wörtlich [Zitat]:

„Wir mussten dabei die Balance finden zwischen der Gesamtverantwortung und dem Recht des Einzelnen, um jedem Athleten gerecht zu werden.“

Eine Telefonkonferenz des fünfzehnköpfigen IOC-Exekutivkomitees ging dieser Entscheidung voraus. In dieser wurde unterstrichen, dass jeder Sportler die Chance haben müsse, auf die Anschuldigungen zu reagieren, schließlich gelte die Unschuldsvermutung.
Nach der Steilvorlage des sogenannten McLaren-Reports, der ein systematisches Staatsdoping in Russland aufgedeckt hatte, ist diese Entscheidung wahrlich nicht als mutig anzusehen. Auch nicht, weil der Internationale Sportgerichtshof CAS in der abgelaufenen Woche in diversen Fällen den Ausschluss russischer Athleten durch den Leichtathletikverband IAAF bestätigt hatte. Und das explizit mit der Erklärung, dass der CAS in diesem Fall auch Kollektivstrafen für zulässig hielt.
Diese Entscheidung des IOC, zunächst das Urteil des CAS abzuwarten, war zunächst vernünftig und klug. Die Entscheidung heute war es nicht.
Dabei haben es sich Bach und die Mitglieder des IOC-Exekutivkomittees mit Sicherheit nicht leichtgemacht. Erstens, weil ein Gesamtausschluss Russlands großen politischen Zündstoff in sich birgt. Und zweitens, weil tatsächlich zwar ein Staatsdoping bewiesen scheint, die Individualschuld der einzelnen Sportler jedoch nicht zu erfassen ist. Und was Thomas Bach persönlich angeht vielleicht auch, weil er mit Putin offenkundig sympathisiert und weil Deutschland selbst mit dem DDR-Sportsystem eine Geschichte voller Staatsdoping mitschleppt, die nie wirklich aufgearbeitet wurde.
Dennoch wäre ein Ausschluss Russlands dringend geboten gewesen. Auch wenn möglicherweise unschuldige, dopingfrei für Olympia qualifizierte, russische Sportler betroffen gewesen wären. Denn genau den Aufstand dieser Sportler hätte es bedurft, um die Dopingproblematik in Russland bekämpfen zu können und dabei Täter zu identifizieren und zu entlarven. Letztendlich aber auch, um alle Systeme auf den Prüfstand zu stellen, die dieses systematische Doping überhaupt über lange Zeit ermöglicht hatten.
Das IOC hat es verpasst, Flagge zu zeigen: olympische Flagge. Nun ist es an den Sommersportverbänden, das Versagen des IOC zu korrigieren. Und das ist in zwölf Tagen vor Olympiastart eine Sisyphusaufgabe. Eine „Mission impossible“. Nichtsdestoweniger… Geschieht dies nicht, ist der weltweite Anti-Dopingkampf endgültig verloren, inklusive unberechenbarer Folgen für die Glaubwürdigkeit eines der wichtigsten Systeme unserer Gesellschaft.

Quellen: