Weihnachten — Eine Abrechnung mit allen Feiernden

Was feiern wir eigentlich an diesem Heiligabend, an Weihnachten?

Der alten Schrift und der Kirche nach feiern wir Weihnachten, weil Gott an diesem Abend Mensch geworden ist, in Form seines Sohnes Jesus. Der Herr selbst, groß und allmächtig schenkte uns der Überlieferung nach einen Sohn, der all das verkörpert, was Gott selbst nicht ist. Jesus ist ein kleines Baby, und als solches wehr- und hilflos. Und zu allem Überfluss noch in einem Viehstall geboren, nahe Bethlehem, unter schäbigsten Voraussetzungen, und zudem noch mit seinen Eltern Maria und Josef auf der Flucht vor dem bösen Herrscher Herodes, der alle männlichen Kleinkinder dahinmetzeln ließ.

Das feiern wir also. Ein Neugeborenes, mit seinen Eltern auf der Flucht vor einem Despoten, Unheil und Gewalt.

Super! Dann haben wir ja dieses Jahr, 2015 also, eine riesige Sause zu feiern. Denn diese Geschichte spielt sich derzeit millionenfach auf der Welt ab. 60 Millionen Menschen werden laut UNHCR dieses Jahr auf der Flucht sein. Einer von 122 Menschen auf diesem Planeten wird vertrieben, wird um sein Leben bangen, muss flüchten und hat Todesangst.

Wie jetzt, sagen Sie, da können Sie doch nichts dafür?

[Hämisches Lachen] Oh, und ob wir Deutschen etwas dafür können. Die Zeitung „Die Welt“ berichtete am 19. Oktober dieses Jahres unter Berufung auf einen Zwischenbericht der Bundesregierung, dass Deutschland im ersten Halbjahr 2015 – trotz Flüchtlingskrise – seine Waffenexporte erneut gesteigert hat. 3,5 Milliarden Euro Rüstungsausfuhren hat Deutschland im Halbjahr getätigt. Für den Jahresabschluss wird ein neuer Rekordwert erwartet. Wo diese Waffen so hingehen, das googlen sie doch dann mal lieber selbst. Sie werden überrascht sein…

Ähhh… wie war das? Wie nehmen doch aber so viele Flüchtlinge auf?

[Wieder hämisches Lachen] Schon reichlich Ironie, oder? Deutschland als viertgrößter Rüstungsexporteur der Welt nimmt viele Flüchtlinge auf.

[Lacher] Was ist eigentlich viele… 2015 kommt Deutschland insgesamt vermutlich auf eine Millionen Flüchtlinge. Das ist weniger als Ein-Einundachtzigstel unser Gesamtbevölkerung. Nehmen wir doch mal den Libanon im Vergleich. Der Libanon hat alleine aus Syrien über 1,1 Millionen Menschen aufgenommen. Das entsprecht ziemlich genau einem Fünftel der Gesamtbevölkerung des Libanon. Und dort gibt es wohlgemerkt kein Pegida, keine AFD und keine Brandanschläge auf Asyleinrichtungen.

Emmm, Sekunde, wie war das? Man muss doch „besorgte Bürger“ ernst nehmen?

So, so, besorgte Bürger ernstnehmen. Wissen Sie, da gibt es was, das muss man tatsächlich ernst nehmen. 500 Übergriffe in 2015… und 500 Mal standen Flüchtlinge im Mittelpunkt. Brandanschläge, Körperverletzungen, Beleidigungen, Überfälle. Und ja, das genau macht mich zu einem besorgten Bürger. Denn 500 Mal wurden dieses Jahr Flüchtlinge oder deren Einrichtungen Opfer von Gewalt. Gewalt selbstdedizierter „besorgter Bürger“ aus einem Land, das zu den wirtschaftsstärksten der Welt gehört und im Überfluss lebt wie kein anderes. Ausgerechnet in diesem, in unserem Land werden die hilflosesten Menschen, diejenigen, die auf der Flucht vor Gewalt und Terror sind… [Der Satz wird unterbrochen]

Moment, wie sagen Sie? Wir in Deutschland bieten doch Zuflucht vor Terror und terrorisieren nicht selbst…

Und wie wir das tun. Das tun sogar Sie, da wette ich mit Ihnen. Zum Beispiel, wenn Sie einkaufen gehen. Und kaufen Tütensuppen, Süßigkeiten, Tiefkühlpizza, Kosmetika, Putz- oder Waschmittel, und, und, und… all diese Produkte enthalten Palmöl, schon mal daran gedacht? Palmöl ist mit rund 60 Millionen Tonnen jährlich das meistverwendete Pflanzenfett. Auch in Biosprit übrigens erhältlich… wussten Sie, dass dafür reihenweise Menschen sterben. Auf Borneo zum Beispiel, da brennt nämlich so viel Regenwald durch illegale Brandrodung wie noch nie. Tausende Menschen müssen vor der Luftverschmutzung fliehen, eine halbe Million Menschen dort ist schwer atemwegserkrankt. Und all‘ das, damit wir uns preiswerte Schokoriegel anfuttern können.

Ja, aber. Nichts ja aber.

Die Liste von moralisch fragwürdigen Konsumgewohnheiten ließe sich unendlich weit fortführen: Billigtextilien, Energieverbrauch, billiges Öl. Wir alle beuten mit unserem zwanghaften Überkonsum diesen Planeten aus. Nein, Moment, nicht nur diesen Planeten, sondern insbesondere die Schwächsten dieses Planeten. Und das nicht nur ökologisch, sondern auch ökonomisch! Ein weiteres Beispiel, das so sinnbildlich für die Fehlentwicklung unseres Planeten steht. Die Umweltorganisation „Center for Global Development“ fand heraus, dass alle Verbraucher in den Vereinigten Staaten für ihre Weihnachtsbeleuchtung insgesamt 6,63 Milliarden Kilowattstunden verbrauchen. Nur für Weihnachtsbeleuchtung! Einen Luxuskonsumgut quasi! Zum Vergleich: ganz Äthiopien verbraucht im Jahr übrigens nur 5,3 Milliarden Kilowattstunden.

Wie war das? Da sind sie ja nicht für verantwortlich?

Vielleicht sind sie das nicht. Vielleicht doch. Aber Herrschaftszeiten, denken Sie doch mal drüber nach. Wenn Sie heute Abend ihre Bio-Gans in den Ofen schieben, damit sie ihr eigenes ökologisches Gewissen still machen, dann halten Sie doch mal kurz inne und reflektieren, was da gerade so in der Welt passiert und lassen Sie im Anschluss beim Abfeiern so richtig die Sau raus!

Zum Beispiel, dass europäische Regierungen konstant Ihre Bürgerfreiheiten einschränken, angefangen bei der Vorratsdatenspeicherung in Deutschland hin zu unserem Nachbarn Polen, der gerade mal de facto sein Verfassungsgericht abgeschafft hat. Sieht man davon ab, dass Gesamteuropa sowieso vor dem Zerfall steht. Dass die bewaffneten Konflikte viel näher rücken, als vor Jahren noch, denken Sie an Syrien mit seinem Weltkriegspotenzial oder die Ukraine, ein Konflikt, der fast vergessen ist. Dass wir Jahr für Jahr durch unseren Überkonsum einen Großteil der Welt ausbeuten, teilweise sogar dafür verantwortlich sind, dass ökologische oder Wirtschaftsflucht entsteht.

Und wenn Sie nachher dann zum Höhepunkt der Party endlich das eine Mal im Jahr in die Kirche gehen, Ihren Zehner zur Gewissensberuhigung in den Klingelbeutel geben und glauben, dass sie ein guter Mensch sind und ein Vorbild für Ihre Kinder, dann rufen Sie sich die folgende Zeile ganz schnell ins Gedächtnis…

Frohe Weihnachten!